Die Neurobiologie des Stresses: Alte Reflexe im modernen Leben

(© Melanie Vogel) Moderne Stressfaktoren treffen auf alte neurobiologische Reflexe und erfordern ein neues Verständnis, sowie alternative Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Stress und Belastungen. Dieser Artikel erklärt, wie spezifische Gehirnregionen auf Stress reagieren und welche Auswirkungen das auf unseren Körper hat. Eine wesentliche Rolle spielt der Vagusnerv, wenn es um das Erlernen von Stress- und Coping-Mechanismen geht. Vertiefende Einblicke gibt die Vagusnerv-Woche im März 2024. Eine Anmeldung ist noch bis zum 10. März möglich.

Ein beträchtlicher Teil der physiologischen Reaktion unseres Gehirns auf Stress hat sich im Laufe der Evolution über Jahrtausende entwickelt. Eine programmierte Stressreaktion half unseren Vorfahren dabei, schnell reagieren zu können, um sich vor Gefahren zu schützen oder im Kampf um Nahrung zu bestehen. In diesem Kontext waren Kampf- und Fluchtreflex als Reaktionen auf äußeren Stress zweifellos von Vorteil.

Leider ist diese neuronale Reaktion auf Stress heute weniger hilfreich, denn unsere alltäglichen Situationen erfordern im Allgemeinen keine unmittelbare körperliche Reaktion wie Kampf oder Flucht, sondern vielmehr

  • ein Verständnis für menschliche Absichten
  • den Umgang mit Misserfolgen, Verlusten oder Unsicherheiten
  • die Lösung logistischer Probleme
  • die Aufrechterhaltung geistiger Anstrengungen
  • eine Fülle von Informationen in kurzer Zeit zu verarbeiten
  • konkurrierende Prioritäten zu jonglieren
  • sich in einer sich schnell verändernden Welt zurechtzufinden.

Wenn wir uns gestresst fühlen, liegt das möglicherweise daran, dass unser Gehirn überempfindlich auf potenzielle Gefahren reagiert. Bestimmte Teile unseres Gehirns beeinflussen unsere emotionale und verhaltensbezogene Reaktion auf Stress:

  • Die Amygdala, das „Alarmsystem“ unseres Gehirns, erkennt Bedrohungen und andere emotionale Signale und löst die Stressreaktion aus.
  • Der Hypothalamus, der „Betriebsleiter“ unseres Gehirns, koordiniert die Freisetzung von Stresshormonen, um unseren Körper – so wie in den guten alten Zeiten – auf Kampf oder Flucht vorzubereiten.
  • Der Hippocampus, als „Biograph“ unseres Gehirns bekannt, speichert und ruft bewusste und unbewusste Erinnerungen an aktuelle und vergangene Stressfaktoren sowie unsere vergangenen Reaktionen und die daraus resultierenden Ergebnisse ab, um aus den früheren Erfahrungen zu lernen und zukünftige Ereignisse besser einzuschätzen.
  • Der präfrontale Kortex, der „CEO“ unseres Gehirns, integriert die Informationen aus der Amygdala und dem Hippocampus, um eine geplante, zielgerichtete Reaktion auf Stress zu entwickeln. Er modifiziert diese Reaktion entsprechend, wenn sich der Stressor entwickelt bzw. abschwächt.

Wenn unsere Amygdala einen Stressfaktor wahrnimmt, initiiert sie eine schnelle chemische Reaktion, welche die Hormone Adrenalin und Noradrenalin freisetzt, um unseren Körper auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. In diesen Momenten bemerken wir möglicherweise eine Beschleunigung unseres Herzschlags, eine schnellere Atmung, eine gesteigerte Aufmerksamkeit und einen Energieschub.

Dieser Prozess läuft automatisch ab und ist schwer zu kontrollieren, aber eine Kontrolle ist möglich, und das Erkennen dieses Mechanismus ist der erste Schritt dazu.

Der zweite Schritt besteht darin zu lernen, mit Stress umzugehen, denn jede Stressreaktion aktiviert zusätzlich den Vagusnerv, der wiederum mit fast allen unseren Organen verbunden ist. Eine dauerhafte Stressreaktion führt zu chronischem Stress und dieser wiederum hat massive gesundheitliche Folgen.

Mehr dazu gibt es in der Vagusnerv-Woche im März 2024. Eine Anmeldung dazu ist noch möglich.


Beitrag veröffentlicht

in

von